vom Autor Charbel Gauthe
Die in Amerika durch den gewaltsamen Tod von Georges Floyd ausgelösten Unruhen schlagen
weltweit hohe Wellen. Auch hierzulande fanden zahlreiche Veranstaltungen und
Demonstrationen um das Hashtag #blacklivesmatter statt. Hunderttausende Menschen gingen
auf die Straßen, um einerseits Solidarität mit der afroamerikanischen Bewegung zu zeigen,
andererseits aber auch, um gegen Rassismus und Polizeigewalt zu protestieren. Und – wie
immer, wenn sich ein Vorfall diesbezüglich ereignet – taucht die Rassismusdebatte auf einmal
auf. Diesmal mit ihr die Diskussion um den Begriff „Rasse“.
Ausgelöst wurde sie durch die Forderung der Grünen, ein Wort zu streichen, dass „eine
Unterteilung von Menschen in Kategorien [manifestiert], die dem Anspruch und Geist unseres
Grundgesetzes, ,Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich’, widersprechen“, so Grünenchef
Robert Habeck und Aminata Touré, Vizepräsidentin des schleswig-holsteinischen Landtags.
Dabei geht es um Artikel 3 des Grundgesetzes, das lautet: “Niemand darf wegen seines
Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft,
seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt
werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.” Der Vorschlag der
Grünen sieht vor, nicht nur den Begriff zu streichen, sondern ihn durch „rassistisch
benachteiligt“ zu ersetzen.
Unumstritten ist, dass das Grundgesetz ein historisches Erbe Deutschlands ist. Es ist aber
bedauerlich, dass im dritten Jahrtausend noch darüber spekuliert wird, ob das Wort „Rasse“
überhaupt noch in grundlegenden staatlichen Texten zu finden sein sollte. Die deutsche
Verfassung ist vor allem unter diesem Aspekt ein Kind seiner Zeit. Die Verfasser des
Grundgesetzes wollten gegen rassistische Thesen, die während der nationalsozialistischen Zeit
stark kursierten, entschieden eintreten und nach denen blonde Haare, blaue Augen sowie einen
gesunden Körper Merkmale, einer unbefleckten Rasse wären. Nur indem eine Diskriminierung
wegen der Rasse verboten wird, legitimiert das Grundgesetz die Theorie, nach der es Rassen
gibt, obwohl von der Wissenschaft bewiesen ist, dass es aus biologischer Sicht einzig eine Rasse
gibt: Menschen.
Allein aus diesem Grund könnte man den Begriff aus dem Grundgesetz streichen. Denn er ist
unzeitgemäß und diskriminierend. Dabei wäre Deutschland nicht das erste Land, das der begriff
„Rasse“ aus seiner Verfassung entferne. Ein Beispiel wäre hier das Nachbarland Frankreich,
dessen Parlament 2018 einstimmig für eine Streichung gestimmt hat. Aber auch hierzulande
auf der Landesebene hat Bremen zum Beispiel diesen Begriff aus seiner Verfassung gestrichen.
Eine einfache Streichung des Begriffs aus dem Grundgesetz wäre auch nicht die Lösung.
Einerseits, weil dadurch der Rassismus nicht verschwindet (Rasse wurde von Rassismus
geschaffen), andererseits würde eine Gesetzeslücke entstehen, die einen Nährboden für
rassistische Diskriminierung schaffen würde. Es muss eine situative Nennung des Problems
erfolgen. Dabei soll klargestellt werden, dass es sich um „rassistische Diskriminierung“ handelt
und der Schutzfaktor gewährleistet werden.
Diese Debatte mag relevant sein, sie darf aber nicht als Symbolpolitik fungieren und die reale
Problematik des Rassismus ausblenden. „Rasse“ aus dem Grundgesetz streichen, ja, aber die
dem Begriff zugrundeliegende Ideologie – den Rassismus – weiter thematisieren.